Wie oft habt ihr schon gesagt bekommen „Du bist Diabetiker, das darfst du doch gar nicht essen“. Ok, für diesen nervigen Satz sollte die Erlaubnis für Backpfeife links und rechts eingeführt werden. Denn der Satz ist ungefähr genauso schlimm, wie sämtliche Fotos von Süßigkeiten und anderen Genüssen mit „Diabetes“ zu taggen.
Klar, wir Diabetiker können uns nicht einfach mal eben so einen Schokoriegel reinpfeifen ohne weiter darüber nachzudenken. Wir müssen uns schon ein wenig damit befassen, wie viele BE dieser Snack hat, wie viel Bolus er erfordert und wie schnell oder langsam er wohl unseren Blutzucker ansteigen lässt. ABER: Essen dürfen wir ALLES!!!
Wenn Diabetiker aufeinander treffen, dann entstehen schon manchmal lustige Ideen. So auch am letzten Wochenende in Wien, wo wir Fredrik von mySugr besuchten. Siteseeing inWien haben wir also kurzerhand mit einer kulinarischen Blutzucker-Battle verbunden.
Der Plan: wir alle futtern uns quer durch Wien, essen dabei aber stets das gleiche (möglichst fiese Sachen) ohne uns gegenseitig in BE-Berechnung und Bolus zu beraten. Ach ja, und ganz nebenbei schauen wir uns dabei die Stadt an. Vor jeder Mahlzeit wird zusammen der Blutzucker gemessen, für bestimmte Bereiche gibt es eine bestimmte Punktzahl. Hypo und Hyper gibt Minuspunkte.
Erster gemeinsamer Blutzuckercheck und Besprechung des Schlachtplans erfolgte am Vormittag bei Fredrik in der Küche.
Vorbei am Museumsquartier (ehemalige Hofstallungen), über den Maria Theresien Platz vorbei am Naturhistorischen- und Kunsthistorischen Museum und der Nationalbibliothek, steuerten wir unsere erste Kohlenhydratstation, die bekannte Konditorei Demel in der Wiener Innenstadt an. Die Herausforferung: Caramelkaffeecremeirgendwas-Torte mit Wiener Melange. Harr. Zucker-Fett Bombe!!! BE? Normaler Bolus? Verzögerter Bolus? Bewegung einrechnen? Grübel…
Auf dem Weg zu unserem nächsten kulinarischem Ziel, einem unter Wienern bekanntes Eissalon (Tuchlauben) mit hervorragendem Nougateis (eigentlich wollten wir vorher noch beim Eis Greissler einkehren, aber offenbar hatte halb Wien die gleiche Idee. Schade, das Ziegenkäseeis hätte ich gern probiert), machten wie einen spontanen Zwischenstopp in einer Chocolaterie Xocolat. In diesem kleinen Paradies kaufte ich noch eine zuckerfreie Schoki mit Blaubeeren und wir verköstigten eine ziemlich leckere Praline.
Selbstverständlich mit vorherigem BZ Check, Geschätze und Getippe.
Nächste Station also das Eiscafé. Puh, so viel Süßes am Stück, das bin selbst ich nicht gewöhnt, und ich hatte arge Befürchtungen, dass mein Blutzucker spätestens nach dem Eis rebellieren würde. Übrigens, ein gutes Nougateis erkennt man daran, dass wenn es beginnt zu schmelzen, sich eine schöne glänzende Fettschicht absetzt! 😉 . Und wieder: Blutzuckercheck, vergleichen, Punkte notieren. Und weiter.
Einen kleinen Verdauungsspaziergang verlegten wir in die Unterwelt, in die Katakomben des imposanten Stephansdom, dem Mittelpunkt Wiens und dem bedeutendsten gotischen Bauwerk Österreichs. In den gruseligen Katakomben werden die Überreste einiger Habsburger in steinernen Särgen und Urnen aufbewahrt, außerdem dienen sie als Ruhestätte der Wiener Erzbischöfe. Wieder am Tageslicht, gelüstete es uns langsam nach etwas Deftigem und Herzhaftem. Wie gut, dass nun Käsekrainer mit Schwarzbrot (bei uns Graubrot) auf unserem von Anna-Clara ausgearbeitetem kulinarischen Rundgang standen. Kombiniert mit einem Bierchen, Stiegl natürlich. Achtung, neue Herausforderung: Fett, Fett, Fett, Kohlenhydrate und Alkohol (fließt wie immer nur geringfügig bis gar nicht in meine BE Berechnung ein)! Der übliche Blutzuckercheck ließ uns alle etwas staunen. Alle absolut im grünen Bereich. Ha, wäre doch gelacht wenn wir die Diabetes Sau nicht auch noch mit ner Wurscht in die Enge treiben könnten. Ich für meinen Teil habe die „Eitrige“, wie Käsekrainer auch liebevoll genannt werden, fast inhaliert. Nicht nur weil ich dringend das Bedürfnis nach etwas Salzigem hatte, sondern weil die auch so verdammt lecker war, die berühmte Käsewurst.
Langsam nährte sich nun unsere Blutzucker-Battle-Wien-Tour dem Ende. Das süffige Bier leerten wir dann zum Abschluss am Schmetterlingshaus mit Blick in den Burggarten, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machten.
Keine Ahnung wie wir es schafften, aber am Abend gelang es uns tatsächlich noch Spargel und Kartoffeln zu verdrücken. Als krönenden Abschluss der Battle gab es dann noch einen wunderbaren Rhabarber Streusel Kuchen, den Anna-Clara für uns zauberte. Laut Fredrik sind Streusel übrigens eine sehr üble Sache. 😉 Ein hoher Blutzucker bei der Fett-Zucker-Mehl Mischung quasi vorprogrammiert. Pah, Pustekuchen. Offenbar bin ich eine sehr gute Streuselverwertungsmaschine, denn ich hatte damit absolut keine Probleme, während es bei Fredrik tatsächlich zum vermuteten Anstieg kam. Streusel olé!
Zum Schluss galt es noch den Sieger des Tages zu küren. Zusammenfassend kann man sagen, dass alle unsere Blutzuckerwerte den Tag über, bis auf ein paar kleine Höhen und Tiefen, nahezu perfekt waren. Die kontinuierliche Bewegung hat sicher ihren Beitrag dazu geleistet. Diabetes Monster besiegt!
HEISST: wir Diabetiker können nicht nur alles essen, sondern können auch von guten Blutzuckerwerten profitieren, solang wir uns ein wenig mit unserem Diabetes beschäftigen, versuchen ihn zu verstehen, zu interpretieren und dementsprechend zu handeln.
Sieger des Tages war übrigens Fredrik, dessen flüssige Verpflegung für Stuttgart somit gesichert ist!
Hier meine Werte der Battle:
Startwert 12:00: 159mg/dl
13:15: 108 mg/dl → Torte mit Melange 4 BE → 8 IE
14:00: 197 mg/dl → keine Korrektur
15:10: 102 mg/dl → Praline 0,5 BE → 0 IE
15:45: 74 mg/dl → 2 Kugeln Milcheis 3BE → 4,5 IE
17:15: 107 mg/dl → Käsekrainer, Brot, Bier 2 BE →3IE
18:30: 57 mg/dl → 2BE
19:23: 127 mg/dl → Kartoffeln, Wein 3 BE → 3,5 IE
21:20: 88mg/dl → Streuselkuchen 2BE → 3,5 IE
23:15: 114mg/dl
Dier Werte von Finn:
Startwert 12:00: 155mg/dl
13:15: 88 mg/dl → Torte mit Melange 2,5 BE → 4,90 IE
14:07: 240 mg/dl → keine Korrektur
15:10: 170 mg/dl → Praline 0,5 BE → 0 IE
15:45: 124 mg/dl → 2 Kugeln Milcheis 2,5BE → 5 IE Combo Bolus
17:15: 107 mg/dl → Käsekrainer, Brot, Bier
19:21: 151 mg/dl → Kartoffeln, Wein 5 BE → 10,35 IE
21:20: 155 mg/dl → Streuselkuchen 2,5BE → 5 IE
Und hier die von Fredrik:
Startwert 12:00: 109 mg/dl
13:15: 88 mg/dl → Torte mit Melange 3,5 BE → 2.3 IE (Dual Wave, 40%/60% über 1h)
14:07: 124 mg/dl → keine Korrektur
15:10: 108 mg/dl → Praline 0,5 BE → 0.1 IE
15:45: 155 mg/dl → 2 Eis: Nougat + Mango 4,5BE → 3.8 IE (Dual Wave, 50% / 50% über 1h)
^ Verdacht drauf, dass der falsche Wert gezeigt wurde, wie oft beim Contour Link
16:46: 46 mg/dl → +1 BE Dextrose!! *fail*
17:15: 102 mg/dl → Käsekrainer, Brot, Bier, 3 BE → 2.4 IE (Dual Wave, 40/60 über 1.5h)
18:43: 109 mg/dl
19:21: 95 mg/dl → Kartoffeln, Wein 3 BE → 2 IE (–> Ninja?!?!)
21:20: 155 mg/dl → Streuselkuchen 4BE → 2.8 IE
22:40: 238 mg/dl → Korrektur: 1.2 IE