Ich habe lange überlegt, ob und wie ich diesen Artikel schreibe. Aber das Thema brennt mir schon länger auf der Seele. Manch einer mag sich jetzt vielleicht angegriffen fühlen, was ich mit diesem Post aber keineswegs bezwecken möchte. Ich möchte eher mal ein wenig die Augen öffnen und etwas mehr Bewusstsein für dieses Thema hervorrufen.
Ich lege einfach mal los…
Ein Teil der Industrie hat es kapiert: Produkte für Patienten ohne Patienten zu entwickeln und einfach in den Markt zu werfen, macht in den meisten Fällen wenig Sinn.
Als Blogger flattern einem immer häufiger Einladungen ins Haus. Es geht meistens darum Feedback zu Produkten zu geben, die gerade in der Entwicklung sind (Idealfall), oder Feedback zu Produkten zu geben, die bereits auf dem Markt sind (bedingt sinnvoll).
Generell nehme ich gern an solchen Veranstaltungen teil, ich bin neugierig was sich auf dem Diabetes Markt tut, und was für uns Diabetiker da so alles in der Pipeline hängt. Aber muss ich tatsächlich auf jede Einladung reagieren, die etwa für die Vorstellung eines neuen Blutzuckermessgerätes wirbt, obwohl ich zum Beispiel schon lange ein CGM System trage? Davon mal abgesehen, versuche ich mir vorab schon immer mal ein paar Gedanken darüber zu machen, was habe ich persönlich davon, was hat der Hersteller davon, was habe ich für den Blog davon, und was für meine Leser? Für mich persönlich habe ich diese Fragen schon längst beantwortet, und die Teilnahme an solchen Veranstaltungen seit langem stark zurückgeschraubt.
Blogger als Teil des Marketings
Seien wir mal ehrlich. Die Industrie hat „den Blogger“ längst als Marketinginstrument entdeckt. Und das finde ich auch völlig ok und auch wichitg. Einladungen zu besagten Veranstaltungen sind unter den Bloggern gern gesehen (nicht nur im Diabetes Bereich), denn sie bieten ja durchaus auch mal etwas Abwechslung und die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu treffen. Was ich allerdings nicht verstehe, warum sich manche Blogger regelrecht benutzen (ist vielleicht nicht das richtige Wort, mir fällt aber gerade nicht der passenden Begriff ein) lassen, nur selten etwas hinterfragen, bzw. den Sinn dieser Einladungen und Veranstaltungen offenbar noch nicht verstanden haben.
SChleimen aus Angst?
Eines vorab. Ich wurde bisher noch nie zu einer Veranstaltung eingeladen, bei der es Pflicht war über diese, oder das vorgestellte Produkt/Projekt zu schreiben. Die Berichterstattung ist absolut freiwillig. Ich bin ja generell ein Mensch der klaren Worte, und wenn mir etwas nicht gefällt, dann schreibe ich das auch. Manchmal fühle ich mich damit allerdings ziemlich allein, denn was man nach solchen Veranstaltungen oder Produktvorstellungen auf einigen Blogs liest (und ich spreche hier nicht allein von der deutschen blogger Szene), sind mehr Lobeshymnen als eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Produkten! Produkt XY wird brav in die Kamera gehalten, auf die Instagram Timeline geklatscht, ordnungsgemäß „verhääschtääggt“, verbloggt und in den meisten Fällen in den höchsten Tönen gelobt!
Aber warum? Vielleicht weil man das Gefühl hat, man müsse als Gegenleistung für die coole und hippe Location, die bezahlte Reise, das tolle Essen und Hotel nun als Dank das Produkt zelebrieren, obwohl es in Wirklichkeit gar nicht mal so dolle ist? Spielt die Angst mit, nicht mehr eingeladen zu werden, wenn man Einladungen ablehnt, oder Kritik ausübt? Wenn dem so ist, ist dies sehr schade. Denn es hilft weder uns Bloggern, noch unseren Lesern. Im Gegenteil, es macht uns unglaubwürdig! Außerdem können wir nur etwas verbessern, wenn wir unsere Bedürfnisse mitteilen, und nicht Ja und Amen zum dem sagen, was wir vorgesetzt bekommen.
Über Authentizität und so…
So ziemlich alle Blogger betonen immer wieder ihre Authentizität. Ich glaube meine persönliche Auffassung und Verständnis von authentisch scheint da irgendwie etwas anders zu sein. Über ein Produkt zu schreiben ist eine Sache. Aber wenn, dann bitte doch ehrlich! Oder man lässt es am besten ganz bleiben. Ein Produkt von vorn bis hinten in den höchsten Tönen zu loben, macht den Blogger alles andere als authentisch. Natürlich kann das jeder handhaben wir er will, es wird nur kritisch, wenn es irgendwann eine gesamte Community widerspiegelt.
Wir alle jammern, dass Produkte zwar FÜR uns, aber nicht MIT uns entwickelt werden. Mag man aber so manchen Blogberichten glauben, dann bräuchten wir doch eigentlich gar keine neuen Produkte mehr. Sind doch eh alle“ total super“ und „awesome“.
Die meisten Blogger unter uns bekommen die gleichen Anfragen zugesendet, und so sieht man schnell, wer sich hat hinreißen/kaufen lassen (bezahlte Erwähnung eines Produktes in einem Post mit Link auf Apotheken, die dieses Produkt ganz zufällig verkaufen und/oder Affiliate Links), gratis Gesundheitsschuhe, Socken, Nahrungsergänzungsmittel etc. Sorry, meiner Meinung nach ist das ist alles andere als authentisch. Zumal die Posts bei den wenigsten Bloggern als Werbung gekennzeichnet sind. Hier stellt sich natürlich auch die Frage, wo fängt Werbung an, wo hört sie auf? Eine Frage, die ich mir auch oft stelle. Bezahlte Beiträge oder Links gehören auf jeden Fall dazu! Also mal grob gesagt: kaufe ich mir meine Nutella selber und halte sie in die Kamera, dann ist nix dagegen zu sagen. Stellt mir Ferrero gratis einen LKW Nutella vor die Tür (worauf ich immer noch hoffe), dann müsste ich meine Nutella Posts als Werbung kennzeichnen.
Ich persönlich stehe dieser Entwicklung der Blogs sehr kritisch gegenüber. Eine Zusammenarbeit mit der Industrie ist wichtig, kann beide Seiten aber nur weiterbringen, wenn wir unsere ehrliche Meinung sagen und nicht nur das schreiben, was wir glauben was die Industrie hören will. Es geht hier um uns, um unser Leben mit Diabetes. Wenn wir Einfluss darauf haben wollen, was in Zukunft passiert, dann kommen wir um klare Worte und ehrliches Feedback nicht drum herum. Und da muss auch niemand Angst haben. Nur so haben wir die Chance gehört zu werden. Und nur so können wir gemeinsame Sache machen.
Ich möchte noch einmal erwähnen, dass hier weder bestimmte Blogs/Personen, noch die Industrie an den Pranger gestellt werden sollen. Ich möchte lediglich etwas mehr Bewusstsein für dieses wichtige Thema schärfen.
Ende der Predigt. Lasst uns kuscheln.
Drüben bei Antje von Süß, happy und fit und bei Tine von i can eat everything gibt es übrigens noch mehr zu dem Thema bezüglich „Wie gehe ich mit Einladungen der Industrie richtig um?“ und „Was muss ich als Werbung kennzeichnen?“