Um ehrlich zu sein, ich kann mich nicht mehr in allen Einzelheiten an meine Diabetes Diagnose erinnern. Ist einfach schon zu lang her. So lang her, dass ich mich eigentlich auch gar nicht mehr an die Zeit vor, bzw. ohne Diabetes erinnern.
Die Diabetes Sau ist im Sommer in mein Leben getreten (zumindest hatte sie da ihren offiziellen Auftritt, aber vermutlich hat sie mich schon viel länger unbemerkt begleitet). Wir waren gerade aus dem Sommerurlaub zurück und in Bremerhaven fand damals die Sail statt, ein großes maritimes Event über mehrere Tage mit Segelschiffen aus aller Welt. Richtig gut erinnern kann ich mich an all die Großsegler, Schoner, Barken und Briggs allerdings nicht mehr, dafür um so mehr, dass ich mich von einer Getränkebude zur anderen gehangelt habe, weil ich einfach einen fürchterlichen Durst hatte. Und natürlich wurde nur süßes Zeug getrunken. Ein Saft nach dem anderen. Milchshake, Fanta…. Fatal.
Ein paar wenige Dinge sind dennoch in meinem Gedächtnis geblieben. Nicht unbedingt vom Tag der Diagnose direkt, aber von der Zeit drumherum:
Ich erinnere mich, dass meiner Oma die Sache mit der übermäßigen Trinkerei und Müdigkeit spanisch vorkam und sie damals mutmaßte „das Kind hat doch wohl keinen Zugger?“. Was sie damals damit meinte, wusste ich zu dem Zeitpunkt damals nicht.
Ich erinnere mich, dass ich mich irgendwie überreden ließ eine Urin Probe beim Arzt abzugeben. Und kurze Zeit später auch schon wieder in die Praxis zitiert wurde. Und dann im Krankenhaus landete.
Ich erinnere mich, dass ich kurz vorher von meiner Oma ein paar Süßigkeiten bekommen hatte und dann als erstes fragte, ob ich die noch essen dürfe. Durfte ich natürlich nicht.
Ich erinnere mich, dass ich im Krankenhaus ein paar zuckerfreie Kaugummis bekam. Die waren so hart und bröselig, dass es ungefähr 5 Minuten brauchte, bis sie im Mund eine zusammenhängenden Masse ergaben. Der Geschmack war allerdings mir dahin völlig verflogen.
Ich erinnere mich an Messgeräte groß wie Ziegelsteine bei denen man sich direkt nebenher die Fingernägel lackieren konnte, solange man auf das Ergebnis wartete.
Ich erinnere mich an Nadeln die noch Nadeln waren.
Ich erinnere mich an das Mädchen das mit auf meinem Zimmer lag und ständig Wind of Change hörte.
Ich erinnere mich an Sammelurin und dem chemischen Geruch auf dem Krankenhaus Klo
Ich erinnere mich an Schwester Daniza deren Hund Frühstück hiess.
Ich erinnre mich an festgelegte Mahlzeiten. Feste Zeiten, feste Mengen.
Ich erinnere mich an meine ersten festen BE Plan: 4-2-2-5-2-4-2 –> 21 BE
Ich erinnere mich an Lanzetten, die man ohne Stechhilfe in den Finger rammen musste.
Ich erinnere mich an Wackelpudding mit Süßstoff, den es fortan als „Süßigkeit“ gab. Außerdem gewürzte Sojakerne und komische Joghurt-Knusper Riegel aus dem Reformhaus.
Ich erinnere mich an Cherry Tomaten und saure Gürkchen anstelle von Torte und Schaumküssen auf Kindergeburtstagen.
Ich erinnere mich an eine riesen Gürteltasche von Benetton, in der ich meinen „Kram“ umher schleppte.
Ich erinnere mich an Onken Diät Pudding. Fragt mich nicht warum.
Ich erinnere mich an einen wirklich guten Kinderarzt der mich damals betreute und dem ich bis Anfang 20 treu blieb.
Ich erinnere mich an Haferflocken zum Frühstück (mag ich jetzt noch)