Ok, ein richtiger halber und einer der zwar auch einer war, aber irgendwie dann auch wieder nicht. Aber mal von Anfang an. Vor gut einem halben Jahr haben meine Schwester und ich uns spontan für den San Francisco Halbmarathon angemeldet. Also wirklich spontan. Sie: „Wollen wir da mitmachen?“ Ich: Joooa, warum nicht!?“ Sie: „Ok, dann melde ich mich an.“ Ich: „Ok, ich auch!“ Ein paar Minuten und einige Klicks weiter, und wir standen auf der Liste. Urgs. Mein erster Halbmarathon. Und das auch noch durchs hügelige San Francisco. An meinen Plan, mich strikt an einen Trainings-Plan zu halten konnte ich aus diversen Gründen nicht nachkommen und so krebste ich noch eine Woche vor dem Lauf bei 15km herum. Zugegeben, ich hatte ein wenig Muffensausen, dass ich wohl eher ins Ziel kriechen (wenn überhaupt) als laufen würde. Außerdem war da noch dieser Jetlag und die Tatsache, dass ich einfach kein Morgenläufer bin, sondern lieber am Abend meine Kilometer durch Wald und Wiesen bestreite. Blöd nur, dass der Startschuß für den San Francisco Marathon um 5:30 Uhr fallen sollte. Nicht meine Zeit. Kurz gesagt: ich fühlte mich nicht ausreichend vorbereitet. Gar nicht.
Carb Loading mit Fritten und Burger
Aus dem Grund war ich mir auch etwas unsicher, wie ich das zu dieser Uhrzeit am besten mit dem Blutzucker anstellen sollte. Da spielen ja quasi gefühlte 357469203 Sachen eine Rolle. Nüchternblutzucker, die Aufregung (Adrenalin) und der damit verbundene Blutzuckeranstieg, der Morgengupf… Arrrrrr.
Am Vorabend vor dem Lauf gab es noch einmal ordentlich Kohlenhydrate. Auf die amerikanische Art versteht sich. Burger und Fries im Diner. Besagte Kohlenhydrate machten sich dann nachts auch fein bemerkbar. Trotz Dual Bolus konnte ich den Anstieg in den frühen Morgenstunden nicht genügend abfangen und stand um 4:30 mit einem Blutzucker von 260mg/dl auf. In weiser Voraussicht dass es er auf Grund der Aufregung noch weiter steigen würde gab es einen kleinen Bolus. Der wie schon vermutet eigentlich für die Katz war und der BZ sich bis zum Start nicht veränderte. Das war aber nicht weiter schlimm, denn so fühlte ich mich auf der sicheren Seite.
Laufen unter falschem Namen
Leider konnte meine Schwester nicht wie geplant an den Lauf teilnehmen, da sich sich auf dem Flug in die USA eine Erkältung inkl. ganz leichtem Fieber eingefangen hatte. Ich habe daher ihren Startplatz und Namen übernommen (ich wäre normalerweise die zweite Hälfte gelaufen, konnte so nun aber für die erste Hälfte starten). Der Startschuß für die erste Welle fiel pünktlich um 5:30 Uhr in der Nähe des Ferry Buildings, und führte dann entlang der Bay vorbei an Fisherman’s Wharf über die Golden Gate Bridge und zurück in den Golden Gate Park. Da ich vorab das Höhenprofil schon etwas unter die Lupe genommen hatte, war mir klar, dass ich die Sache wirklich langsam angehen musste. Quasi Kräfte sparen. Gerade beim Start bin ich gewöhnlich immer etwas zu schnell und verbrauche dadurch Energie, die mir dann am Ende fehlt. Also trabte ich wirklich gemütlich los und liess die Eindrücke auf mich wirken. Was ich übrigens sehr beindruckend und auffällig im Vergleich zu Läufen in Deutschland fand war, dass alles viel gelassener und entspannter abging. Kein Gedrängel, Pöbeleien, Anstehen an den Versorgungsstationen oder Ähnliches. Auch von der Marathon-Messe 2 Tage zuvor können sich deutsche Lauf-Veranstaltungen ruhig mal eine Scheibe abschneiden. Super Angebot und super organisiert. Die Abholung der Startunterunterlagen erfolgte ohne viel Hektik oder langes Warten. Alles easy going. So ist das wohl im Golden State.
Nach ungefähr 10 Kilometern ging es dann recht ordentlich hinauf auf einen Hügel und dann auf die Golden Gate Bridge (im erfrischendem Morgennebel) und meine Wadenmuskeln feierten das erste Mal ne kleine Party. Hallelujah! Bis dahin verlief die Strecke recht flach und zwischendurch immer mal wieder ein Blick auf die Pumpe zeigte, mein Blutzucker hielt die Konstante bei 260mg/dl. Der Smart Guard der Minimed 640G kam also diesmal nicht zum Einsatz. Im Nachhinein glaube ich, dass ich mit der Basalreduktion für dem Lauf etwas zu großzügig war, aber ich hatte wirklich keine Lust auf Hypos. Für das nächste Mal (habe ich das gerade wirklich gesagt?) weiß ich es besser. Auf der Golden Gate Brücke selber genoss ich die frische Brise die dort wehte, und ging nach der anfänglichen Steigung ein paar Schritte, um die Aussicht und die Atmosphäre zu genießen.
Spaß- statt Zeitziel
Dies blieb nicht die einzige Gehpause. Was ich mir im Vorfeld aber auch schon gedacht hatte. Von daher war ich mit meinem Zeitziel auch weniger ambitioniert. In erster Linie wollte ich einfach da durch kommen und Spaß haben. Und mit Klo, Trink/Kohlenhydrat- und Gehpausen möglichst unter 2,5 Stunden für meinen ersten (hügeligen) Halbmarathon bleiben. Bis Kilometer 13 klebte ich an dem Hasen mit Zeitziel 2 Stunden 10 Minuten. Aber leider verlor ich diesen dann, als es nach der Golden Gate Bridge einige fiese Steigungen gab, die ich einfach nur mit Minischritten oder im Schritttempo hochkam. War aber ok, denn so konnte man kurz verschnaufen und mit ein paar Leuten plaudern.
Everything is possible!
Unter anderem sprach mich eine Kinderarzt an, der den CGM Sensor auf meinem Oberschenkel erspähte und sich freundlich erkundigte, wie es läuft und ob mit der Insulinpumpe alles ok sei. Lustigerweise hatte sich kurz vorher mein Katheter wieder gelöst (kurz vorm Ziel, von daher kein Drama). Nach ein wenig Smalltalk verabschiedete er sich mit einem
„Keep on doing what you´re doing. That is what i always tell my patients. Everything is possible and Diabetes should never stand in your way!“
Dann zog er flotten Schrittes von dannen.
Kurze Zeit später war ich im Ziel. Plötzlich. Also wirklich plötzlich. Nach 21 Kilometern erreichte ich die Finish Line im Golden Gate Park nach knapp 2.5 Stunden wo meine Lieblings-Supporter Inga und Nicole schon auf mich warteten. Alles was nach Kilometer 15 noch kam, verging wirklich wie im Flug und ich schenkte weder Distanz noch Tempo irgendeine Beachtung sondern lies meine Beine einfach laufen. Also quasi der Part der Strecke, der mir am meisten Angst machte, dass er mir unter Umständen Probleme bereiten könnte, lief unerwartet locker. Ebenso wenig machte der Blutzucker bzw. Diabetes Probleme. Ich lief alles einfach laufen ohne mich verrückt zu machen. Vielleicht ist das sogar die Lösung für viele Dinge. Sich einfach mal ein paar weniger Gedanken machen, sondern einfach tun. Everything is possible!
Hab ich nicht was vergessen?
Jap, den zweiten Halbmarathon. Den hatte ich schon 2 Tage vor dem eigentlich Lauf zurück gelegt. Zu Fuß. Nachdem wir unsere Startunterlagen abgeholt hatten und eh schon viel gelaufen waren an dem Tag, haben wir spontan noch ein wenig die Stadt erkundet. Hier lang, dort lang, hinab, hinunter, vor und zurück. Und rapdizap waren 21 Kilometer auf der Uhr. Ok, Gehen ist natürlich anders als Laufen, aber immerhin. In diesem Sinne… „if you´re going to San Francisooooo…“ *sing*