Oder doch nicht? Ach, alles irgendwie kompliziert mit diesem Wert, der mich immer wieder verzweifeln lässt. Wenn Diabetiker sich unterhalten, fällt das Themas meist schon noch wenigen Sätzen auf den Hba1c. „Mein Haus, mein Auto, mein Yacht.“…unter Diabetikern sieht es eher so aus: „Meine Pumpe, mein Meßgerät, mein Hba1c.“
Ja, richtig gelesen. Manche Diabetiker messen sich regelrecht an ihrem Hba1c, oder meinen andere Diabetiker nach diesem Wert zu beurteilen. Was für eine Sch….!!! Ich bin viel im Netz unterwegs und beobachte immer wieder, speziell in Foren und Facebook Gruppen, wird stark über den „Gold-Standard“ diskutiert und geurteilt. Applaus für diejenigen, die eine 6er oder 5er (???) hingelegt haben, Hba1c-Werte von über 7% werden als schlecht verschrien. An dieser Stelle sein mal gesagt, dass man sich doch mal die aktuellen Leitlinien der DDG den Hba1c bei Typ1-Diabetikern betreffend zu Gemüte führen sollte.
Über „Die Jagd nach dem perfekten Hba1c“ habe ich bereits vor einiger Zeit auf dem Open Journal Blog berichtet. Ich habe in über 20 Jahre Diabetes kaum HbA1c-Werte im 6er Bereich gehabt, sondern mich, bis auf ganz wenige Ausrutscher, konstant im 7er Bereich gehalten. Schlaue Köpfe werden jetzt den Hba1c in den BZ umrechnen und mokieren, welch minder optimale Zahl dabei heraus kommt. Mein letzter Hba1c war zum Beispiel 7,3% (das würde ich persönlich NICHT als hoch bezeichnen), umgerechnet entspricht das einem Durchschnitts-BZ von um die 160mg/dl.
Schon öfter ist mir, und auch meinen bisherigen Ärzten, aufgefallen, dass meine gemessenen Werte und der Hba1c einfach nicht zusammen passen. Klar, die Werte in meinem Tagebuch sind Punktmessungen. Was dazwischen passiert…wer weiß!? Allerdings habe ich nun bereits seit November ein CGM und kann daher eine lückenlose Dokumentation aufweisen. Laut CGM habe ich in den letzten drei Monaten einen Durchschnitts-BZ von 136mg/dl. Umgerechnet auf den Hba1c entspricht das einem Wert von rund 6.5%! So, und wo kommen nun die 7.3% her???
Der Hba1c, unser Blutzucker-Gedächtnis, ist von vielen Faktoren abhängig, die wir im Alltag nicht bedenken und die auch häufig nur wenig bekannt sind (anscheinend auch unter vielen Ärzten nicht).
Hier einige Beispiele:
- der Hba1c hängt von Überleben der (gezuckerten) roten Blutkörperchen ab. Und das ist nicht bei jedem Menschen gleich. Daraus lassen sich die relativ guten Hba1c Werte von Dialyse Patienten erklären, denn durch die Blutwäsche habe ihre roten Blutkörperchen eine geringere Lebensdauer (Hämolytische Anämie).
- Anämie (Blutarmut) etwa in Folge eines Eisenmangels, die mit Medikamenten behandelt wird (also Eisen), die die Produktion von Blutzellen stimulieren, erzeugen einen fälschlich guten Hba1c. Eine Eisenmangelanämie hingegen kann zu erhöhten Hba1c Werten führen.
- Hoch dosierte Dauertherapie oder Anwendung von Acetylsalicylsäure (ASS) wirkt sich negativ auf den Hba1c aus. Eine regelmäßig hohe Anwendung von Aspirin kann den Hba1c fälschlich erhöhen
- Falsch niedriger Hba1c durch Hemmung der Glykierung (z.B. Dauertherapie mit Ascobinsäure oder Vitamin E)
- übermäßiger Alkoholkonsum kann den Hba1c falsch erhöhen
- Niereninsuffizienz (Hba1c-Anstieg bis zu 3% auch bei Nichtdiabetikern)
- Einnahme von ß-Laktam-Antibiotika (zu Beispiel Penicilline) führt zu falsch hohem Hba1c
- akuter Blutverlust kann den Hba1c fälschlich senken. Ein einmaliger Verlust von knapp einem halben Liter (z.B. Blutspende) senkt den Hba1c um 0,5% noch 6-8 Wochen nach dem Verlust.
Wilden Diskussionen rund um den Hba1c gehe ich mittlerweile aus dem Weg oder schenke ihnen nur wenig Beachtung. Nicht nur unter dem Aspekt, das oben genannte Faktoren zu falschen Werten führen können, als auch der Fakt, dass sich die Diabetes-Therapie über die Jahre hinweg geändert hat, dies aber offenbar bisher in den wenigsten Praxen angekommen ist. Es regt mich nur immer wieder auf, dass es besonders in den Köpfen der Langzeitdiabetiker offenbar festgemeißelt ist, nur ein 6er Hba1c sei ein guter Hba1c, und dies der alleinige Faktor sei, um Folgeschäden (nach 23 Jahren Diabetes bei mir übrigens noch nicht vorhanden) zu minimieren. Mittlerweile sollte es doch auch aber auch überall angekommen sein, dass hier die Genetik eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Ausschließlich gute Hba1c Werte sind noch lange keine Garant für ein Leben ohne Folgeschäden. Ärzte und Berater sehen es bereits als Fehler an, die Patienten über viele Jahre hinweg viel zu sehr auf den Hba1c regelrecht gedrillt zu haben.
Zitat aus dem letzten Kontrollbesuch: „Uns interessiert nicht ihr Hba1c, uns interessieren ihre Blutzuckerwerte!“ Immerhin, dann sind meine Aufzeichnungen nicht nur für mich, sondern auch meinen Arzt und Berater nützlich. Übrigens stehen für die Hba1c-Bestimmung 4 Messtechniken mit über 20 verschiedenen Bestimmungsmethoden zur Verfügung. Das heißt, dass die Normwerte und Referenzbereich variieren. Hba1c- Werte aus verschiedenen Laboren zu vergleichen macht daher kaum Sinn.
Puh, wer soll da noch durchsteigen?
Ach ja, was zu meinen erhöhten Hba1c-Werten führt, ist noch nicht geklärt. Unter Umständen steht da noch eine Blutuntersuchung an. Stichwort „Fructosamin“. Ich werde berichten….
Quellen u.A. gfi-online.de, sgedssed.ch