Einige von euch werden diesen Beitrag bereits kennen. Ich habe ihn damals als Interview im Open Journal veröffentlicht. Es geht um Diabtes und Zöliakie. In der letzten Zeit habe ich wieder sehr viel darüber gehört, erst vor ein paar Tagen schrieb mir ein britischer Diabetes Blogger, dass bei ihm nach über 10 Jahren Diabetes nun auch noch Zöliakie diagnostiziert wurde.
Neben den gefürchteten Folgeerkrankungen müssen sich viele Typ1 Diabetiker zwangsläufig auch zusätzlich mit sogenannten Begleiterkrankungen beschäftigen. Erkrankungen die mit dem Diabetes einhergehen. Hierzu gehört zum Beispiel die Fehlfunktion der Schilddrüse, von der auch ich und mehrere Typ1 Diabetiker aus meinem Bekanntenkreis betroffen sind. Erwiesen ist, dass Funktionsstörungen der Schilddrüse und Diabetes häufig gemeinsam auftreten und sich gegenseitig beeinflussen. Über- und Unterfunktionen der Schilddrüse wirken sich auf den Blutzuckerstoffwechsel aus. Bei einer Hyperthyreose (Überfunktion der Schilddrüse) wirkt das Insulin nicht mehr richtig, die Folge sind erhöhte Blutzuckerwerte. Eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) lässt den Bedarf an Insulin sinken, Unterzuckerungen (Hypoglykämie) treten verstärkt auf.
Eine weitere Begleiterscheinung des Diabetes ist die Zöliakie, eine Überempfindlichkeit gegenüber Gluten, einem Klebeeiweiß welches in Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Gerste vorkommt und bei Allergikern die Darmzotten zerstört. Die Zöliakie zählt genauso wie Diabetes mellitus und einige Schilddrüsenerkrankungen zu den Autoimmunerkrankungen und bringt erhebliche Ernährungseinschränkungen mit sich.
Interview mit Max – Diabetiker und von Zöliakie betroffen
Um ein wenig mehr über diese Krankheit und über den Umgang und Beeinträchtigungen im Alltag zu erfahren, verabrede ich mich mit Max. Max ist 20 Jahre alt und seit Sommer 2007 Typ1 Diabetiker. Zusätzlich leidet er an der Glutenunverträglichkeit.
Wir treffen uns in einem Café. Ich bestelle mir einen Cappuccino und ein Stück Kuchen, Max hingegen nur ein Getränk. Aus der Kuchenauslage darf er nichts essen. Nicht weil es sein Blutzucker nicht vertragen würde, sondern weil seine Darmzotten beim Verzehr von glutenhaltigen Produkten „Tango tanzen“ würden. Ich sitze vor meinem Stück Bienenstich und bekomme ein schlechtes Gewissen.
Max erzählt mir, dass die Ärzte damals bei der eher zufälligen Diagnose Diabetes bereits wussten, dass er ebenfalls Zöliakie hat. Dies teilten sie ihm aber erst einige Monate später mit, damit er sich erst mal an seinen Diabetes „gewöhnen“ konnte. Typische Beschwerden wie Bauchschmerzen habe er nicht gehabt. Eine Ernährungsumstellung führte aber zu einer deutlichen Verbesserung seines Wohlbefindens.
Schluss mit Pizza, Pasta und Co.
Eine glutenfreie Kost stand von nun an auf dem Tagesplan, Mehlspeisen waren fortan tabu. Max berichtet, dass es mittlerweile zwar viele glutenfreie Produkte in Supermärkten, Webshops und Reformhäusern gäbe, und diese auch erstaunlich gut schmecken würden, das eigentliche Problem liege aber im Alltag. Das Angebot in Bäckereien ist größtenteils tabu, an einen Besuch beim Italiener mit Pizza, Pasta und Co. ist nicht mehr zu denken. Und wenn doch, dann gibt es nur Kartoffeln mit Gemüse und Fleisch, nicht wirklich italienisch. Aber auch hier muss er sich nach den Inhaltsstoffen und Zubereitung erkundigen, denn Soßen und Panaden sind mögliche „Gluten Fallen“. Mit seinen Jungs in einer bekannten amerikanischen Fast Food Kette mal eben einen Burger essen fällt ebenso flach. Pommes und Salat sind das einzige auf der Karte was er dort bedenkenlos essen darf.
Problematisch ist, dass Gluten in vielen Lebensmitteln auch versteckt vorhanden ist, da es die Lebensmittelindustrie oftmals als Emulgator verwendet.
Auf die Frage, ob er sich streng an seine Diät halte und was passieren würde wenn er ein normales Brötchen oder ein paar Kekse essen würde, entgegnet er, dass dies bei ihm keine sofortigen Auswirkungen hätte. Allerdings reagiere da jeder Betroffene anders. Aber Max hat für sich selber beschlossen keine großen Experimente zu wagen und verzichtet daher auf solche „Sünden“ komplett, denn genau wie der Diabetes kann auch die Zöliakie bei falscher oder schlechter Behandlung Folgen haben. In diesem Fall Darmtumore. „Ich halte mich lieber an die Ernährungsvorschriften anstatt ein solches Risiko einzugehen!“
„Glutenfreie Lebensmittel sind scheiße teuer“
Während ich weiterhin genüsslich aber immer noch mit einem schlechten Gewissen meinen Kuchen esse, berichtet Max, dass Urlaube und Reisen ebenfalls ein Problem darstellen. Man weiß ja nie was einen in einem fremden Land erwartet und ob man sich auf das verlassen kann was aus der Hotelküche kommt. Daher reise er dann mit deutlich mehr Gepäck als alle anderen, eine große zusätzliche Tasche ist allein nur für glutenfreie Lebensmittel vorgesehen. Diese speziellen Produkte seien übrigens „scheiße teuer“, ein einfacher Schokoriegel ist für einen Preis von unter 1,00 € kaum zu bekommen. Ich frage ihn, was ihn am meisten an der Glutenunverträglichkeit stört. „Ich kann nicht einfach mal so mit meinen Kumpels ein Bierchen trinken gehen. Entweder ich bringe mir mein glutenfreies Bier selber mit, wo eine 0,33l Dose übrigens satte 1,80 € kostet. Oder ich halte mich an Longdrinks. Das wird dann für mich immer ein teurer Abend!“ Zum Schluss möchte ich von ihm wissen, auf welche der beiden Krankheiten er am ehesten verzichten würde, wenn er könnte. Max muss nicht lange überlegen: „Zöliakie! Beim Diabetes darf man auf Grund der mittlerweile „lockeren“ Ernährungsrichtlinien alles essen, man muss halt nur den Bolus dafür abgeben. Und mit dem Spritzen habe ich eh kein Problem. Bei der Zöliakie ist das leider anders. Wenn man sich da nicht an den Ernährungsplan hält, bekommt man Probleme!“
Ich kratze die letzten Krümel von meinem Teller und bin fast ein wenig froh „nur“ Diabetes zu haben….
Wie sieht es bei euch aus? Seid ihr von Zöliakie betroffen? Wie geht ihr damit um, schränkt es euch im Alltag eventuell mehr ein als der Diabetes selber?