Wie ihr ja vielleicht schon über Instagram mitbekommen habt, habe auch ich (Ilka) kürzlich mit dem Loopen angefangen. Allerdings bin ich noch ein echter Frischling und möchte erst ein paar mehr Erfahrungen sammeln, bevor ich hier über das Thema berichte. Da das Thema Loopen aber heute Part der Diabetes Blog Woche ist, lasse ich heute unseren Dia Buddy Maximilian zu Wort kommen. Maxi loopt schon länger und ich muss sagen, mit vielem was er da schreibt, spricht er mir aus der Seele. Lest selbst:
Closed Loop – Spontanheilung auf Knopfdruck?!
Ich habe mich vor einigen Monaten dazu entschlossen, mir eine Loop zu bauen. Und so habe ich
es geschafft, mit einiger Unterstützung aus der Community – vielen Dank allen Beteiligten dafür –
langen Warten auf den Riley Link, der Organisation einer loopfähigen Pumpe und des dafür
notwendigen Folgebedarfes die Loop-App auf mein Handy zu kompilieren.
Man kann sich das so vorstellen: Ich sitze vor dem Laptop, XCode schreibt die Meldung
„Succeed“ und plötzlich erscheint die App auf dem Handy. Irgendwann war dann alles verbunden
und die Loop – zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschlossen – war grün.
Mit zitternden Fingern habe ich die Loop geschlossen.
Ich hatte Tränen in den Augen. Sollte das der Moment sein, in dem meine 35jährige Karriere als Typ 1 Diabetiker nun eine entscheidende Wendung nehmen sollte? Ist das jetzt eine Art„Spontanheilung auf Knopfdruck“? Voller Hoffnung, voller Neugierde und voller Tatendrang war ich bereit für einen neuen Abschnitt in meiner Diabeteskarriere. Nämlich einer Karriere bei der der Diabetes nicht ständig in meinem Hinterkopf präsent ist. Eine Karriere, in der mir die neue Technik sämtliche Probleme in meinem täglichen Diabetesmanagement abnehmen würde Eine neue, einfachere Zeit würde anbrechen und ich könnte mich besser auf Familie, Job und Hobbys konzentrieren und den Diabetes mal hinten anstellen. Die Technik würde das ja für mich erledigen.
Die Ernüchterung
Ja die gab es. Nach ca. 5 Tagen mit dem System. Ich war nicht zufrieden. Hypos, gefolgt von
Hyperglykämien, starken Schwankungen und unlogischen Verläufen. Ein Blick in meine Daten
verriet mir beim Vergleich vorher – nachher dass ein schlechterer HBA1c errechnet wurde als
ohne Loop. Meine Standardabweichung war von 29mg/dl auf über 40mg/dl hochgeschossen und
meine Zeit im Zielbereich war rapide gesunken.
Sollte das nun die Eier legende Diabetes Wollmilchsau sein von der alle so schwärmen? Haben
die alle einen anderen Diabetes? Bin ich zu unfähig? Dieses Thema hat mich ziemlich beschäftigt.
Es hat mich zur Weißglut gebracht. „Warum funktioniert das nicht?“ Ich wusste keine Antwort.
Nach einigen Tagen kam dann ein bisschen Licht ins Dunkel. Die Lösung des Problems war
eigentlich gleichzeitig einfach und schwierig zugleich.
Ich hatte meine Hausaufgaben nicht gemacht.
Rückwirkend total einleuchtend, damals aber war ich so geblendet von den vermeintlichen neuen
Möglichkeiten, dass ich das Naheliegende, das Grundsätzliche einfach vergessen hatte.
Basalrate
Ich wusste schon länger – auch ohne Loop – dass meine Basalrate nicht mehr optimal war. Zum
Glück hatte ich das Projekt schon länger davor in Angriff genommen und meine neue Basalrate
war fast perfekt. Schon vor der Loop. Sie wurde allerdings noch einmal gering modifiziert, weil ich
in den frühen Morgenstunden regelmässig im gleichen Umfang unterzuckert bin.
Heute weiß ich, dass eine gut eingestellt Basalrate aus meiner Sicht eine der wichtigsten Säulen
des Therapieerfolges mit einer Loop ist. Und das wird sich in Zukunft mit kommerziellen
Systemen auch nicht ändern. Und aufs Herz? Wie läuft es grade so mit Deiner Basalrate? Bevor
Du also über eine Loop auch nur anfängst nachzudenken, checke die Basalrate und stelle sicher,
dass sie dich auch ohne Loop gut über den Tag bringen würde. Denn die Loop hat deine
Basalrate einprogrammiert. Passt sie nicht, muss die Loop so viel regeln, was aus meiner Sicht
den Algorithmus schnell einmal an seine Grenzen bringt.
Faktoren
Um wie viel hebt eine BE/KE den Blutzucker? Um wie viel mg/dl senkt eine Einheit den
Blutzucker?
Ich war immer der Meinung, dass ich das 100%ig wissen würde. Weit gefehlt. Einen Schmarren
wusste ich.
Wie lange wirkt das NovoRapid bei mir? Ich war der Meinung, dass das 3 Stunden sein würden.
Heute weiß ich, dass es 4 Stunden und 30 Minuten sind.
Gibt man das falsch in die Loop-App ein… ja wie soll das System funktionieren? Ich habe das bei
allen meinen Mathe-Klassenarbeiten versucht: Wenn Du falsche Zahlen in den Taschenrechner
tippst, solltest Du keinesfalls ein korrektes Ergebnis erwarten.
Essen abwiegen?
Ja!
Es hat Wochen gedauert, bis ich die Punkte oben abgearbeitet hatte. Aber es lief trotzdem nicht
zufriedenstellend. Irgendwo war noch ein Hund begraben.
Wieder war die Lösung einfach und trotzdem eine kleine Herausforderung: Die korrekte Eingabe
von BE/KE in das System.
Ich habe tatsächlich wieder begonnen, mein Essen abzuwiegen. Nach 25 Jahren.
Es macht einfach einen Unterschied, ob ein Brötchen 2 oder 2,5 BE hat. 3 geschätzte Reis-BE
waren nach der Waage dann doch 5 BE.
Wenn du dich bei allen Hauptmahlzeiten im Schnitt um 0,5 BE verschätzt, so ergibt das über den
Tag mindestens 1,5 BE, die nicht mittels Insulin abgedeckt werden. Von Zwischenmahlzeiten,
kleinen Snacks und der einen oder anderen Tüte Eis mal ganz abgesehen…
Ich war immer der Meinung, dass ich ein Senior-Master in BE schätzen wäre. Leider ist dem nicht
so. Ich war es auch nie. Ich wage heute sogar zu sagen, dass das niemand wirklich gut kann.
Vielleicht auch eine Art Selbstschutz? Ich empfehle jeden – egal ob mit oder ohne Loop, seine
Fähigkeiten dahingehend einmal mittels Waage zu überprüfen. Viel Spaß 😉
DEr Loop löst keine Probleme, die Du schon vor der Loop hattest
Diese Erfahrung musste ich machen. Wer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, wird nie ein
zufriedenstellendes Ergebnis bekommen.
Wer falsche Daten in das System – von der Basalrate bis hin zu falschen Faktoren – eingibt, wird
nicht glücklich werden.
Wenn man seinen Diabetes nicht schon ohne Loop so einigermaßen im Griff hat – die Loop wird
die erhoffte Spontanheilung auf Knopfdruck nicht bieten können.
Lerne das gute, alte Diabeteshandwerk
Ich lese immer wieder auf Facebook, dass sich neu manifestierte Diabetiker und vor allem Eltern
von neumanifestierten Kindern für eine Loop interessieren.
Als Vater verstehe ich das Bedürfnis, seinem Kind die bestmögliche Therapie zukommen zu
lassen. Aber ist eine Loop bei neumanifestierten Kindern wirklich die beste Möglichkeit? Sollten
alle Betroffenen nicht einmal das „Handwerk“ lernen, bevor man sich den Diabetes
vollautomatisch „checken“ lässt? Gerade in der Remissionsphase, in der sich täglich so viel
ändert. Wäre es da nicht sinnvoller, sich „oldschool“ mit dem Diabetes auseinander zu setzen und
einfach mal zu lernen?!
Wenn ich lese, dass Kinder oder Jugendliche regelmäßig den Bolus vergessen, sind sie dann
wirklich bereit für so ein System?
Müssen eigentlich nicht alle Diabetiker den klassischen Umgang mit Pen und
Blutzuckermessgerät lernen, um im Notfall handlungsfähig zu bleiben?
Sind Eltern neumanifestierter Diabetes-Kids nicht besser bedient, wenn Sie eine Notfallsituation,
wie eine Hypo mal erlebt haben, um im Wiederholungsfall auch zu wissen, was zu tun ist?
Gibt es da nicht vieles zu tun, zu lernen und zu hinterfragen, bevor man über eine Loop – egal ob
DIY oder ein kommerzielles System – nachdenkt?
Ich habe mir bereits die Antworten auf diese Fragen gegeben.
Eine Erkenntnis möchte ich aber mit Euch teilen: Aus meiner Sicht werden hier oftmals zum
falschen Zeitpunkt Begehrlichkeiten geweckt.
Ich bin gespannt, wie sich kommerzielle Systeme auf die Diabeteslandschaft auswirken werden,
wenn alle loslaufen und sich das „System der Systeme“ verordnen lassen, ohne das kleine
Diabetes 1×1 erlernt zu haben.
Und wie läuft es jetzt bei mir?
Aktuell sehr gut. Mit 5,5% HbA1c und durchschnittlich 80-90% im Zielbereich zwischen 80 und
150mg/dl und einer Varianz von unter 25mg/dl kann ich zufrieden sein. Der Weg war allerdings
steinig und hart erarbeitet.
Die Loop hat bei mir kein einziges Diabetes-Problem gelöst. Ganz im Gegenteil: Sie hat viele
Fragen eröffnet, auf die ich erst langsam Antworten finden konnte.
Der Diabetes ist jetzt präsenter denn je. Ich hinterfrage und optimiere täglich und bin weit davon
entfernt, dass der „Blechtrottel“ mir irgendwelche Entscheidungen abnimmt.