Diabetes ist nicht gleich Diabetes und die Versorgung von Diabetikern variiert überall auf der Welt. Was es heißt, als Diabetiker in Indien zu leben, berichtet Kathi, die im Rahmen eines Projekts für 6 Wochen dort war. Kathi kennen wir aus dem Open Journal Team und finden es spitzenmäßig, dass sie hier über ihre Erfahrungen berichtet!
……………………………………………………………………………………………………
Sechs Wochen meiner diesjährigen Sommersemesterferien verbrachte ich (Foto rechts) mit der befreundeten Österreicherin (und selbstverständlich auch Typ 1 Diabetikerin) Maria Hillinger (Foto links) in Indien, genau genommen in Vellore im Tamil Nadu (Südindien). Trotz Kulturschock und einer völlig unvorstellbaren anderen Welt konnten wir sechs Wochen lang Typ 1 Diabetikern im Christian Medical College Hospital (CMCH), Vellore, durch unsere eigenen Erfahrungen helfen…
Über mich
Einige von Euch werden mich vielleicht schon aus gelegentlichen Beiträgen auf dem OpenJournal Blog und dem Diabetes-Journal kennen. Für die, die mich noch nicht kennen: Ich bin Kathi, 24 Jahre alt und Studentin (Master Public Health Nutrition infolge des Bachelorstudiengangs Oecotrophologie/ Ernährungswissenschaften). Diabetes habe ich schon seit fast 21 Jahren, seit sechs Jahren habe ich eine Pumpe.
Hintergrund des Projekts
Wie es zu unserem Projekt kam, ist eine etwas kuriose Geschichte. Maria und ich haben uns in Dubai im Dezember 2011 auf dem Welt Diabetes Kongress kennengelernt. Dort fand das erste Treffen der IDF Young Leaders statt (nähere Infos hier). Im Rahmen dieses Programms sollen durch das Wirken der Young Leaders, das Leben junger Typ 1 Diabetiker über den ganzen Globus verbessert und unterstützt sowie neue Möglichkeiten für zukünftige Leader geschaffen werden. Während dieses Meetings kamen Maria und ich auf die Idee des Volontariats. Auf dem Kongress hatten wir beide die Möglichkeit, Graham Ogle, Präsident des Life For A Child (LFAC) Programms kennen zu lernen, der unser Vorhaben natürlich super fand und uns zum CMCH vermittelte.
Das Projekt
Vor Ort erlebten wir in den sechs Wochen eine Menge. Die Probleme der Diabetiker in Indien sind ganz anderer Natur als bei uns. Zum einen haben die Menschen aufgrund ihrer Kultur einen vollkommenen anderen Horizont und anderes Verständnis als wir. Das bedeutet, dass viele Diabetiker nicht wirklich frei und selbstständig leben. Viele sind abhängig von ihren Eltern und den Diabetes Educators. Die Education im Hospital ist auf simple Basis und beinhaltet bspw. Dinge wie, dass Messgerät und Traubenzucker mitgenommen werden sollten (wo man auch immer hingeht), dass in Schule, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit etc. Blutzucker gemessen werden soll, wenn es die Situation erfordert, dass Freunde, Verwandte, Schulkameraden, Lehrer und Arbeitskollegen oder Vorgesetzte über den Diabetes informiert werden u.s.w. Einmal lernten wir in einem Patientengespräch eine Mutter kennen, die offensichtlich glaubte, dass alle Diabetiker weiße Haut hätten. Denn ihr Sohn hatte hellere Haut als die durchschnittliche indische Bevölkerung und als sie uns sah, fühlte sie sich natürlich bestätigt. Dass die Patienten in der Lage sind, Kohlenhydrate zu zählen und in der Insulindosis zu berücksichtigen, davon sind sie noch weit entfernt. Allerdings fand ich es sogar (mit meiner eigenen jahrelanger Erfahrung) schwierig, die Kohlenhydrate der indischen Speisekarte abzuschätzen. Die Therapie der Patienten ist sehr konservativ und kommt der CT (= conservative therapy) sehr ähnlich, da bestimmte festgeschriebe (und jeden Tag identische) Insulinmengen injiziert werden, was feste Zeiten für Mahlzeiten bedeutet, die eingehalten werden müssen.
Zum anderen ist der Großteil der indischen Bevölkerung sehr arm. Die Patienten sind nicht in der Lage, Streifen und Insulin aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Die Unterstützung durch die Regierung ist sehr mau bis gar nicht vorhanden. Viele der Diabetiker haben deswegen nur 50 Teststreifen pro Monat zur Verfügung. Für die unter 21 Jährigen gibt es von der IDF über LFAC 50 Teststreifen pro Monat gesponsert, die sie sich monatlich im Hospital abholen können. Das bedeutet also, dass die Patienten an in der Regel 1-3 Tagen in der Woche (dann auch mehrmals) messen, an den anderen Tag gar nicht.
Im Rahmen unserer Arbeit waren wir z.B. regelmäßig aktiv an Patientengesprächen dabei und konnten den Patienten mit unserem eigenen Wissen und Erfahrungen weiterhelfen. Der springende Punkt ist auch, dass sie uns viel eher „geglaubt“ haben als den Diabetes Educators, da wir ja „Gleichgesinnte“ sind und somit die gleichen Probleme haben… Allein an dieser Stelle, konnten wir dort schon viel verändern. Den Patienten fehlte der Kontakt zu anderen Diabetikern, mit den sie Ängste, Sorgen, (gute und schlechte Erfahrungen), Probleme etc. (Ihr kennt das ja…) teilen könnten. Deswegen haben wir im Rahmen unseres Projekts „the best educated patients“ ausgewählt und zusammen mit Mercy (die für die Typ 1er Hauptverantwortliche Diabetes Educator) geschult. Sie sollen dann als Leader für kleinere Support groups fungieren und z.B. Treffen organisieren, den übrigen Patienten helfen etc. Dafür haben wir auch jede Menge Flyer erstellt, die den Leaders helfen sollen.
Am Ende unseres Aufenthalts gab es sogar ein Presse Meeting. Wir und unsere Pumpen (absolute Rarität!!!) wurden zig-fach abgelichtet. Sie berichteten dann auch tatsächlich über unsere Arbeit:
Reisen
An den Wochenenden haben wir uns es natürlich nicht entgehen lassen, auch mal ein paar andere Teile Indiens kennen zu lernen. Wir waren z.B. in Mamallapuram (Ostindien am Pazifik), in Kerala (anderer Bundesstaat in Westindien), Pondicherry (auch Ostindien), Nordindien (Delhi und Agra, wo das Taj Mahal steht). All diese Orte hatten ihre schönen Ecken, doch leider ist dennoch überall ein sehr ähnliches Bild zu finden: viel Dreck, die Inder vermüllen ihr Land (leider) regelrecht und die Luft stinkt oft unangenehm (durch den Müll, die mangelnde Hygiene und den oft angezündeten Müll und den daraus resultierenden erbärmlichen und verkokelt riechenden Gestank).
Danke
An dieser Stelle möchte ich mich u.a. bei der IDF für die Unterstützung, bei Frau Schmidt-Schmiedebach (Insulin zum Leben) für ihre großzügige Insulinspende und natürlich bei Finn & Ilka für die Möglichkeit dieses Gastbeitrags noch einmal bedanken.