Halloween ist vorbei und wir kommen gleich von einem blutigen Ereignis zum nächsten: zur Menstruation (sorry ich brauchte irgendwie ne Überleitung).
Im Ernst, dieses Thema habe ich schon lange auf meiner Liste und da ich heute mal etwas Zeit und Ruhe habe, werde ich diesen Artikel jetzt mal angehen.
Für die Herren die hier mitlesen, ihr dürft ruhig bleiben. Eines aber vorab, um gleich mal ein paar Fehlinformationen und Vorurteile aus der Welt zu schaffen: Menstruationsblut ist rot und nicht blau, so wie es oft in der Werbung bestimmter Watteprodukte gezeigt wird 🤷♀️.
Geschlechtshormone beeinflussen den Blutzucker
Ok, nun aber mal zum Diabetes. Der weibliche Zyklus beeinflusst den Blutzuckerstoffwechsel. Das ist Fakt. Wie stark, das kann recht individuell sein. Hormonmäßig geht im weiblichen Körper während der 2 Phasen (Östrogenphase und Progestoronphase ) des Menstruationszyklus ziemlich die Post ab, was Einfluss auf die Insulinempfindlichkeit hat.
Die Konzentration der Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron ist ein paar Tage vor Einsetzen der Regelblutung, also in der 2. Phase des Zyklus, höher als gewöhnlich. Das Resultat können erhöhte Blutzuckerwerte sein.
Insulin wirkt wie Wasser?
Nun liest man ja öfter in den sozialen Medien von Begebenheiten, in denen „Insulin wie Wasser“ wirken würde. Diese Aussage wird oft müde belächelt, gelegentlich wird man sogar als dumm hingestellt. Das ist immer ganz großes Kino, denn interessanterweise kommen diese unterirdischen und ins Lächerliche ziehenden Kommentare hauptsächlich von Männern, oder Menschen, die Diabetes nur “von außen“ kennen.
Ich persönlich kann sagen, jap 3-5 Tage vor Einsetzen der Regelblutung habe ich eine extrem hohe Insulinresistenz, sprich das Insulin „wirkt wie Wasser“. Natürlich wird diese Formulierung gern auf die Goldwaage gelegt, aber ich kann für mich sagen: während dieser spezifischen Phase des Zyklus brauche ich deutlich mehr Insulin. Und mit deutlich meine ich DEUTLICH! Glücklicherweise weiß ich aber ja woran es liegt, und kann entsprechend mit einer DEUTLICH erhöhten Basalte zumindest ein wenig der Bloody Mess entgegen steuern und das gröbste Chaos verhindern. Mit den oft empfohlenen 130% Basalrate komme ich übrigens definitiv nicht aus. Zum Glück hat mit dem Einsetzen der Regelblutung der Spuk dann auch meist schlagartig wieder ein Ende.
Wer seinen Zyklus kennt ist im Vorteil
Womit wir beim Thema „Wissen“ wären. Wie bereits erwähnt, ist man immer gut bedient, wenn man den Grund für seine Blutzuckerschwankungen kennt und dementsprechend handeln kann. Leider ist der Einfluß des weiblichen Zyklus auf den Blutzuckerstoffwechsel nur sehr wenigen Frauen wirklich bekannt bzw. bewusst und auch Ärzte und Diabetesberater sind auf diesem Gebiet erfahrungsgemäß mit eher wenig Wissen bestückt. Kurz zur Erinnerung, auf der Welt leben circa 200 Millionen Frauen mit Diabetes!
Mal ehrlich, wie oft hat dich dein Diabetes Team mal ernsthaft auf deinen Zyklus angesprochen? Wurdest du jemals beim Optimieren der Basalte/vor einem Basalratentest gefragt, in welcher Phase des Zyklus du dich gerade befindest? Zu meinem großen Überraschen, kannte sich meine Gynäkologin dafür umso mehr mit den Auswirkungen des Zyklus auf die Blutzuckereinstellung aus.
Dass sich der weibliche Zyklus auf den Blutzuckerstoffwechsel auswirkt ist keine Neuerfindung, sondern schon zu Zeiten bekannt gewesen, in denen es noch nicht einmal eine vernünftige Diabetes Therapie gab. Bereits in den 40er Jahren gab es Veröffentlichungen zu diesem Thema! Wie kann es also sein, dass dieses Thema heute noch so stiefmütterlich behandelt wird? Auf den Webseiten der großen Diabetes Organisationen findet man so gut wie keine Informationen und auch beim Durchforsten meiner Diabetes Bücher Sammlung bin ich nicht wirklich fündig geworden. Das Thema wird meist in wenigen Sätzen abgehandelt.
Gender spezifische Medizin
Ich bin beruflich viel auf Diabetes Kongressen unterwegs auf denen die Themenvielfalt teils recht breit gefächert ist, Aber weiblicher Zyklus und Therapieanpassung? Fehlanzeige. Ebenso wenig thematisiert wird „Diabetes und Menopause“. Gut, da bin ich noch Jahre von entfernt, dennoch scheint es hier eine ebenso große Lücke in der Schulung und Aufklärung zu diesem Thema zu geben.
Generell führt Gender spezifische Medizin zur Zeit noch ein ziemliches Nischendasein.
In Deutschland wird zu diesem Thema zum Beispiel ausschließlich an der Charité geforscht. Studien zeigen zum Beispiel, dass Frauen bei der Einnahme von Medikamenten 1,5-mal häufiger mit Nebenwirkungenzu kämpfen haben als bei Männer, und dennoch wird der Mann in der Medizin noch immer als Standard angesehen. Na gut…ich schweife ab.
Zurück zur Menstruation. Wie bereits erwähnt, kann ich allen menstruierenden Menschen mit Diabetes empfehlen, sich mal etwas genauer mit ihrem Zyklus zu beschäftigen und diesen genau zu dokumentieren. Ich nutze dafür die Clue App. Mit dem Wissen, dass in den verschiedenen Zyklus Phasen auch die Insulinempfindlichkeit unterschiedlich stark ist, kann so manches AHA Erlebnis in Bezug auf unerklärliche Blutzuckerschwankungen hervorrufen werden. Ist eben doch nicht immer das Wetter Schuld!
In diesem Sinne…Menstruation Demonstration!