Mittwoch. Mir stecken noch die Kilometer von gestern in dein Beinen. Immerhin waren es über 20. Kurz überlege ich, ob es vielleicht doch eher die im Netz gerade heiß diskutierten Muskelschmerzen verursacht durch Fiasp sind. Aber nein, es muss die Siteseeing-Tour sein.
Außerdem schwimmen noch die Nudeln von gestern Abend im Blut (bitte kurz bildlich vorstellen). Schön mal mit 230mg/dl aufgewacht. Naja, Nudeln schätzen. Ihr kennt das…
Ich entscheide mich gegen einen Korrektur Bolus, da ich heute noch ein paar Schritte vor mir habe. Das Wetter verspricht prächtig zu werden!
SoFo – South of Folkungagatan
Zum Frühstück geht es ins Fikabaren, ein kleines Café mitten in Södermalm, dem ein sehr guter Kaffee und ein schmackhaftes Frühstück nachgesagt wird.
Ich bummel noch etwas schlaftrunken durch die Gassen, bzw. durch SoFo. So wird das „In Viertel“ hier genannt wird. Hier befindet sich auch das Urban Deli, wo ist außerordentlich tolle Leckereien gibt. Das Urban Deli wird übrigens auch das „Sauerteig Hotel“ genannt, weil man hier seinen Sauerteig in Pflege geben kann, wenn man im Urlaub ist. Die Schweden verstehen das Sauerteig Business!
Ich lasse mich wieder von Google Maps leiten, biege aber hier und da in kleinere Nebenstraßen ab. Im Gegensatz zu deutschen Cafés, haben die Cafés hier in Stockholm meist alle ab 8 Uhr geöffnet, und die Luft wird von meinem geliebten Zimt-Kardamom Duft durchzogen. Ich inhaliere.
Trotzdem, zum heutigen Frühstück gibt es keine Kanelbulle, sondern Haferflocken mit Blaubeeren und Bananen. Dazu einen Milchkaffee. Im Fikabaren bin ich die erste Kundin heute, im Inneren riecht es himmlisch nach Kaffee (ihr merkt schon, ich bin ein Geruchsmensch).
Heute lasse ich es ruhig angehen (so der Plan), blättere nebenbei noch ein wenig in einem Buch und beobachte die Leute draußen auf der Straße. Die typisch orange-gelben Hausfassaden werfen ein wohlig warmes Licht durchs Fenster.
Mit Haferflocken und Koffein im Blut, entscheide ich mich spontan die Gegend noch etwas mehr zu erkunden. Ich bin jetzt schon das dritte Mal hier, entdecke aber immer wieder neue schöne Ecken.
Stockholm ist eine unheimlich grüne Stadt, mit vielen kleinen Parks. Irgendwann lande ich wieder in Gamlastan. Das Licht ist grandios hier heute Morgen. Und es ist schon ordentlich was los. Viele Schulklassen sind unterwegs. Irgendwie läuft hier alles ruhiger und gesitteter ab als bei uns. So zumindest mein Eindruck. Die Schweden sind irgendwie chilliger. Ob das wohl am Snoozen liegt? Zumindest findet man an jeder Straßenecke leere Tabak Dosen. Auf dem Weg zum Fährhafen kehre ich noch schnell bei Bröd & Salt ein und nehme mir eine…na, na, na? Kanelbulle als Wegzehrung mit.
Ich bin am Fähranleger angekommen. Was für ein Gewusel! Kurz überlege ich, ob ich wirklich die Fähre nach Djurgarden nehmen soll. Ich nehme sie! Die Überfahrt geht zügig und der Fahrtwind tut gut. Es geht vorbei an Kastellholmen und dann rüber an den Anleger nach Djurgarden.
Ich bin froh, dass ein großer Teil der Masse schnurstracks den Weg nach Gröna Lund einschlägt, dem Freizeit- und Vergnügungspark auf der Insel. Achterbahn, freier Fall, Kettenkarussell in schwindelerregender Höhe. Nicht mein Ding. Für mich wäre höchstens Zuckerwatte von Interesse.
Ich gehe schlanken Schrittes an dem „Rummel“ vorbei in Richtung Yachthafen. Google leitet mich entlang einer recht viel befahrenen Straße. Ich ignoriere das (mal wieder) und gehe querfeldein. Gute Wahl. Kleine menschenleere Gassen, schnuckelige Schwedenhäuser und der Geruch von Holz. Zwischendurch fordert die Diabetes Sau wieder einmal Aufmerksamkeit. Ich hätte die Basalrate reduzieren sollen. Zu spät. Ich tue ihr also den Gefallen und werfe ein paar Kohlenhydrate ein.
Mein Ziel ist das Skroten Café, welches ich zufällig über Instagram gefunden habe. Die Sonne brutzelt mir mittlerweile ganz schön auf den Kopf und ich bin froh, als ich das Café erreiche. Ich gehe rein und fühle mich auf Anhieb wohl. Maritimes wohin man guckt. Von der Decke hängen Laternen, Bojen, Rettungsringe, alte Schwimmwesten, Fischernetze und sonstiges Gedöns. Das Skroten ist Lokal und Laden in einem, und ich erspähe sofort ein paar schöne Dinge, die sich bei mir zu Haus sicher gut machen würden.
Bei Magen knurrt. Die Speisekarte ist komplett auf schwedisch. Ich linse auf die Teller der anderen Gäste und sehe Lachs. Lachs und Brause. Das soll es sein.
Zuckerfreie Getränke gibt es nicht. Daher wird heute ausnahmsweise mal für das Getränk gebolt. Das meide ich ja sonst. Während ich auf einer großen, alten Holzbank Platz nehme und auf mein Essen warte, beobachte ich die Leute im Café. Das Publikum scheint überwiegend einheimisch zu sein und teils leider auch ein wenig versnobt. Männer mit hochgeklappten Polokragen und Seglerschuhen, gegelte Haare, sonnengebräunt und einfach zu cool für diese Welt.
Vermutlich nur mal eben schnell von Deck ihrer kleinen Yacht oder Schnellboot gehüpft, um einen Happen zu essen.
Mein Lachs wird serviert und er könnte besser nicht sein. Das Essen wird auf maritimen Geschirr serviert, welches hier auch verkauft wird. Nach dem Essen begutachte ich das Tassen- und Tellersortiment. Der Kaffeebecher mit dem Segelschiff ist mein und auch die Blechtasse mit dem Anker geht in meinen Besitz über. So nämlich!
Im Skroten Café könnte ich stundenlang sitzen. Es gibt Orte, die betritt man und es fühlt sich gut an, als wäre man schon 1000x dort gewesen. So ein Ort ist dieses Café.
Ich entschließe mich den Rückweg zu laufen, anstatt mit der Fähre zu schippern. Mein Weg führt mich am ABBA Museum vorbei und durch die Luft schallt „Dancing Queen“. Ich ertappe mich beim Mitsingen und muss grinsen.
Vor dem Vasa Museum (lohnt sich!) mache ich kurz Halt und genieße den Blick auf die Schiffe und rüber nach Kastellholmen. Wie gut, dass ich mich noch mit der Zimtschnecke bewaffnet hatte, denn mein Blutzucker verlangte nach Energie-Nachschub. Habe ich mich beim Mittagessen verschätzt? Oder die Bewegung unterschätzt? Naja, Diabetes läuft eben nicht nach Schema F.
„Das Schiff gucken wir uns im Internet an.“ höre ich die Mutter neben mir zu ihrem kleinen Sohn sagen, der mit großen Augen den Pott betrachtet und mit seiner kleinen Hand auf den mächtigen Anker deutet. Und dann fängt er bitterlich an zu weinen. Im Internet…
Ich bin auf Östermalm angekommen. Meine Füße tun mir mittlerweile ganz schön weh. Ich mache noch kurz Halt in einem Park, lege mich ins Gras und dann begebe ich mich auf kürzestem und schnellsten Weg (sprich Tunnelbana) in Richtung Hotel. Puh, wieder gute 20km zurückgelegt.
Da der Abend noch jung ist und die Sonne noch warm vom Himmel scheint, mache ich mich nach einer kleinen Verschnaufpause noch einmal auf den Weg durch die södermalmische Hood. Hier ist überall was los. Unzählige Kneipen und Cafés laden zum Essen, Trinken und Abschalten ein. Ich bin unentschlossen und lasse die lauschige Atmosphäre einfach auf mich wirken.
Schwedischer Singsang vermischt sich mit diversen anderen Sprachen. Mich zieht es wieder ans Wasser. Runter an den Pier (Södermalm liegt höher als der Rest von Stockholm, von daher „runter“).
Ich rieche Pferd
Spontan entschließe ich mich die Fotokrafiska zu besuchen (hat bis 23:00Uhr geöffnet), ähnlich den Deichtorhallen in Hamburg mit immer wechselnden Ausstellungen.
Like a horse heisst die derzeitige Ausstellung. Schon beim Betreten der Ausstellungsräume merke ich, hier wird nicht nur der Seh-Sinn angesprochen, sondern auch der Geruchs-Sinn. Pferd liegt in der Luft! Das erschnuppere ich sofort. „Ui, strong horse smell“ sage ich zu dem Pärchen neben mir. Sie riechen nichts…!
Zu sehen, was den Geruch verursachen könnte, ist erstmal nichts und ich beginne schon an mir zu zweifeln.
Auch wenn Pferde nicht so mein Thema sind, bin ich doch positiv von den Fotos überrascht. Je weiter ich den Ausstellungs-Parcours entlang schlendere, desto intensiver wird der Geruch. Und da steht er. Ein Tisch mit mehreren Glasbehältern mit unterschiedlichem, teils undefinierbarem Inhalt. Der Besucher wird aufgefordert mal ordentlich die Nase reinzuhalten. Pferdeschweiß, Sattelfett, Pferdeurin, Pferdekot, Menschenschweiss …steht auf den kleinen Zettelchen. Der Reitsport wird hier sinnlich erfahrbar gemacht. Und zwar richtig. Zu viel für meine Nase.
Als ich wieder rausgehe ist es schon leicht dämmrig und auch recht kühl. Ich setze mich trotzdem noch eine Weile ans Wasser und genieße das Abendlicht, das weich auf den Buk der MS Birger Jarl scheint, ein Hotel/Hostel Schiff.
Der leichte Wind trägt Gejauchze und Gekreische von Gröna Lund über das Wasser. Ich frage mich, wieviele wohl gerade ihre Fahrt in einem der Fahrgeschäfte bereuen. Ich beneide keinen von ihnen und mache ich auf den Heimweg.