Eins vorab. Mir ist bewusst, dass ich Dinge falsch mache. Immer wieder. Aber ich bin ach nicht blöd. Ich weiss für alles eine oder gar mehrere Lösungen und Möglichkeiten wie ich es besser oder richtig machen kann. Trotzdem! Ich tue es nicht. Nicht immer. Manchmal bin ich eben auch nur Mensch.
1. Erst essen, dann spritzen
Zelebriert habe ich über Jahre hinweg das Gegenteil. In Zeiten als es noch keine Analog-Insuline gab, und und es eine gefühlte Ewigkeit dauerte, bis das Lebenselixier sich seinen Weg durch die Blutbahn verschaffte, um dort die Zellen für die Energieaufnahme vorzubereiten.
Dann irgendwann kamen die schnellen Analog-Insuline, mit dem Versprechen ein Spritz-Ess-Abstand gehöre fortan der Vergangenheit an. Mag stimmen. Bei entsprechendem Blutzucker. Und vielen anderen Faktoren.
Leider sind unsere Analog-Insuline aber noch immer keine Turboinsuline und unser Körper arbeitet schneller. Kartoffel-Pü, Apfelmus, Nudeln, Baguette…unser Körper ist schlau, wenn nicht sogar gierig. Spaltet und transporitert wie ein Weltmeister und der Blutzucker steigt an. Und zwar schnell. Raketenmäßig.
So schnell kann kein Insulin wirken.
Eigentlich, so habe ich für mich rausgefunden, brauche ich immer einen Spritz-Ess-Abstand. 10-15 Minuten mindestens.
Trotzdem. Ich kann nicht immer warten. Aus Gründen. Der häufigste ist, oh Wunder, Hunger! Seid ihr schon mal beim Bäcker mit wunderbar frisch und zimtig duftenden Franzbrötchen vorbei gegangen? So ein Franzbrötchen will sofort in meinen Mund wandern, und nicht erst in die Tasche. So geht es mir oft, mit diesem Hunger. Und den Franzbrötchen.
2. Überkorrektur
Hohe Blutzuckerwerte sind scheisse. Und was hilft? Insulin. (Ok, nicht immer). Und wie bereits erwähnt, unsere Insuline heute wirken zwar schnell, aber eben nicht turbo schnell. Ich bin ungeduldig. Das gebe ich zu. Nicht selten kommt es da vor, dass ich entweder von vorn herein zu viel (ähm, viel hilft ja viel, nä? ;)) oder zu schnell auf den letzten Bolus korrigiere, sodass es zu einer Insulinüberlagerung kommt. Stacking, wie die Amis es nennen. Nun wird der eine oder andere sagen, schau auf das aktive Insulin der Pumpe. Mach ich. Trotzdem. Es ist ein wenig wie fremdgesteuert sein. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf ein hoher Blutzucker braucht doch Insulin. Zack, schon ist der Saft drin. Hallo Hypo.
3. Zu viele Hypo BEs
Fress Flash. Jeder der schon einmal mit Tempo 100 in eine Hypo gerauscht ist oder überhaupt jemals einen saftige Hypo erlebt hat, kann dies wohl nachvollziehen. Essen. Fressen! Einfach alles in Sichtweite. So schnell wie möglich, so viel wie möglich. Hände wie ferngesteuert, die wieder und wieder tief in die Haribotüte greifen, Schokolade aus dem Papier friemeln und Nutella löffelweise in den Mund wandern lassen. Der Blutzucker danach? Fly me to the Moon, Baby! Doch eigentlich bin ich mir gar nicht so wirklich sicher, ob diese fast animalische Reaktion überhaupt ein Fehler ist, sondern einfach ein Instinkt, eine Reaktion mich einfach so schnell wie möglich aus dieser Situation zu befreien. Kontrolle über meinen Körper, Geduld? Nicht bei einer Hypo.
4. Basalkorrektur und Alkohol
Ich bekomme es immer wieder hin. Am Wochenende abends ein oder zwei Bier, Wein in gemütlicher Runde oder ein paar Schnäpschen beim Feiern. Der Morgen danach…keinen Brummschädel, aber dafür eine ordentliche Hypo. Ich kann fast die Uhr nach stellen. Diabetes und Alkohol hat seine Tücken. Obacht! Mit einem Blutzucker unter 200mg/dl würde ich persönlich nach Alkoholkonsum niemals schlafen legen. Aus Erfahrung. Da wird noch was gegessen. Ganz toll. Mitten in der Nacht (oder am frühen Morgen) noch schön einen Schokoriegel in die Backen schieben. Dabei wäre es so einfach. Ein paar Knöpfe auf der Pumpe drücken und die Basalrate reduzieren. Warum ich das nicht mache? Essen ist weniger mühsam als externe Bauchspeicheldrüsen zu bedienen?
Und nun?
Entweder könnt ihr jetzt wild kluge Ratschläge und erhobene Zeigefinger auf mich einprasseln lassen, ich wäre doch selber schuld und könne doch schliesslich was tun. Oder ihr sagt einfach „Kenn ich“. Punkt. Ich denke die meisten von euch passen in die 2. Gruppe. Ich habe Respekt vor den Leuten, die immer alles super auf die Reihe bekommen mit ihrem Diabetes, und deren zweiter Vorname Disziplin lautet. Hut ab. Aber ich denke mir immer wieder, nein ich bin kein Roboter.
Ich will essen wenn ich Hunger habe, ich will schlafen wenn ich müde bin, ich will das Leben geniessen, und nicht einfach funktionieren. Ich bin menschlich.